Grüne Elektronik: Leiterplatten aus nachwachsenden Rohstoffen
25. April 2023
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der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt
Thomas Geiger forscht seit vielen Jahren auf dem Gebiet der Cellulosefibrillen – feine Fasern, die beispielsweise aus Zellstoff oder landwirtschaftlichen Abfällen hergestellt werden können. Cellulosefibrillen bergen großes Potenzial für eine nachhaltige Produktion und die Dekarbonisierung der Industrie: Sie wachsen in der Natur CO2-neutral, verbrennen rückstandsfrei und sind sogar kompostierbar. Sie können für viele Zwecke eingesetzt werden, beispielsweise als Faserverstärkung in technischen Gummiprodukten wie Pumpenmembranen.
Doch lassen sich aus Cellulosefibrillen vielleicht auch Leiterplatten herstellen, die den ökologischen Fußabdruck von Computern verringern? Vor allem Leiterplatten (PCB) sind ökologisch alles andere als unschuldig: Sie bestehen meist aus mit Epoxidharz getränkten Glasfasern. Ein solcher Verbundwerkstoff ist nicht recycelbar und kann bislang nur in speziellen Pyrolyseanlagen fachgerecht entsorgt werden.
Geiger hatte bereits Leiterplatten aus Zellulosefibrillen hergestellt und deren biologische Abbaubarkeit untersucht. Mit Wasser vermischt ergeben die Biofibrillen einen dicken Schlamm, der in einer speziellen Presse entwässert und verdichtet werden kann. Zusammen mit einem Kollegen fertigte er 20 Experimentierplatinen, die verschiedenen mechanischen Tests unterzogen und schließlich mit elektronischen Bauteilen bestückt wurden. Der Test gelang und die Zelluloseplatte gab nach einigen Wochen im natürlichen Boden die aufgelöteten Bauteile frei.
Zuvor war Geiger zusammen mit der Fachhochschule OST in Rapperswil an einem Innosuisse-Projekt beteiligt, bei dem Gehäuseteile für Computermäuse hergestellt wurden. Die Gehäuseteile glänzen seidig und ähneln in Farbe und Haptik Werkstücken aus Elfenbein. Es konnte jedoch kein Hersteller gefunden werden, der die Methode übernehmen wollte. Dafür ist der Preiswettbewerb bei Kleinelektronik noch zu groß – und herkömmliche Kunststoffspritzgussverfahren sind hier klar im Vorteil.
Kürzlich ergab sich die Gelegenheit, auf bestehenden Erkenntnissen aufzubauen: Empa-Nachhaltigkeitsspezialistin Claudia Som wurde gefragt, ob sie Lust hätte, am EU-Forschungsprojekt Hypelignum mitzuarbeiten. Diese wird vom schwedischen Materialforschungsinstitut RISE geleitet und sucht nach neuen Wegen, Elektronik nachhaltig zu produzieren. Claudia Som nahm die Hilfe ihres Kollegen Thomas Geiger in Anspruch.
Das Projekt startete im Oktober 2022 und das Forschungskonsortium mit Teilnehmern aus Österreich, Slowenien, Spanien, den Niederlanden, Schweden und der Schweiz plant die Herstellung und Bewertung von Öko-Leiterplatten aus verschiedenen Materialien: Neben nanofibrillierter Cellulose (CNF) Als Basis werden Holzwolle und Zellstoff untersucht; Als Basis für die Leiterplatten wird auch Holzfurnier verwendet.
An dem Projekt arbeiten zwei Empa-Labore zusammen: Zum einen die Nachhaltigkeitsspezialisten unter der Leitung von Claudia Som aus der Abteilung Technik und Gesellschaft. Mithilfe von Materialdatenbanken wird Som den ökologischen Fußabdruck der Öko-Leiterplatten berechnen und die einzelnen Konzepte miteinander vergleichen. Thomas Geiger vom Empa-Labor Cellulose & Wood Materials wird die Leiterplatten aus nachwachsenden Rohstoffen herstellen.
Grüne Elektronik ist seit langem ein Forschungsschwerpunkt des Labors, das von Gustav Nyström geleitet wird; Nyströms Team hat bereits verschiedene gedruckte elektronische Komponenten aus biologisch abbaubaren Materialien entwickelt, etwa Batterien und Displays. Die Anforderungen an industriell gefertigte Computerplatinen sind jedoch nicht trivial: Die Platinen müssen nicht nur eine hohe mechanische Festigkeit aufweisen, sie dürfen auch bei feuchter Umgebung nicht aufquellen oder bei sehr niedriger Luftfeuchtigkeit keine Risse bilden.
„Cellulosefasern können eine sehr gute Alternative zu Glasfaserverbundwerkstoffen sein“, erklärt Geiger. „Wir entwässern das Material in einer Spezialpresse mit 150 Tonnen Druck. Anschließend verkleben die Zellulosefibrillen von selbst, ohne jegliche Zusätze. Das nennen wir ‚Verhornung‘.“ Entscheidend ist dabei, bei welchem Druck, bei welcher Temperatur und wie lange Der Pressvorgang muss erfolgen, um optimale Ergebnisse zu erzielen.
Das EU-Projekt Hypelignum hat ehrgeizige Ziele: Ziel ist es, nicht nur Leiterplatten aus nachwachsenden und kompostierbaren Rohstoffen zu untersuchen, sondern auch leitfähige Tinten für die elektrischen Verbindungen zwischen einzelnen Bauteilen zu entwickeln. Diese Tinten werden häufig auf Basis von Silbernanopartikeln hergestellt. Die Forscher suchen nach günstigeren und weniger knappen Ersatzmaterialien sowie einer ökologischen Produktionsmethode für diese Nanopartikel.
Am Ende des Projekts sollen vier Demonstratoren zeigen, was geschafft wurde: eine ökologisch vorbildliche Leiterplatte, ein großes Bauelement aus Holz, das mit Sensoren und Aktoren ausgestattet wird, Möbelstücke, die mit Sensoren ausgestattet werden eine automatisierte Produktionslinie und schließlich ein Demonstrator, der die Recyclingfähigkeit all dieser Komponenten beweisen wird.
Im Jahr 2022 gelang es einer Empa-Forschungsgruppe unter der Leitung von Gustav Nyström, ein biologisch abbaubares Display auf Basis von Hydroxypropylcellulose (HPC) zu bauen. Sie verwendeten HPC als Substrat und fügten eine kleine Menge Kohlenstoffnanoröhren hinzu, wodurch die Zellulose elektrisch leitfähig wurde. Durch das Einmischen von Cellulose-Nanofasern (CNF) brachten sie die Tinte in eine druckbare Form.
Abhängig von der angelegten elektrischen Spannung ändert die Anzeige ihre Farbe; Darüber hinaus kann es auch als Druck- oder Spannungssensor dienen und hat das Potenzial, als biologisch abbaubare Benutzerschnittstelle in der zukünftigen Ökoelektronik eine Rolle zu spielen.
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